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DIREKTE DEMOKRATIE
Initiative DIREKTE DEMOKRATIE
Parteiprogramm
 

Parteilogo Initiative DIREKTE DEMOKRATIE
 
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Grundsatzprogramm

Präambel   Direkte Demokratie   Entscheidungsmacht   Interessenwahrnehmung  

  Präambel oben
 

 
Die „Initiative Direkte Demokratie“ (DIREKTE DEMOKRATIE) ist eine Bürgerrechtsbewegung, die sich in der Form eines nichtrechtsfähigen Vereins konstituiert hat und sich als politische Partei an Bundestagswahlen, Landtagswahlen und ggf. auch an Kommunalwahlen beteiligt. Die Gründungsmitglieder der Initiative Direkte Demokratie, eine Gruppe politisch sehr interessierter und aktiver Bürger, haben bisher allesamt verschiedenen etablierten Parteien angehört. Sie sind zu der Überzeugung gelangt, dass die die Macht im Staate ausübende Oligarchie der etablierten Parteien nicht mehr in der Lage ist, die großen Probleme von Gegenwart und Zukunft zu lösen, sondern dass abzusehende tiefgreifende Entscheidungen einer profunden direktdemokratischen Fundierung durch die Bürger bedürfen. Sie sind darüber hinaus nach langer Zeit der Enttäuschung zu der Überzeugung gelangt, dass ein Engagement in diesen Parteien nicht mehr zu den notwendigen Reformen in Gesetzgebung und Verwaltungspraxis führen kann. Sie sind weiter davon überzeugt, dass das heute dominierende Berufspolitikertum schädlich ist und dass öffentliche Ämter nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (so Art. 33 Abs. 2 GG) zu besetzen sind und nicht nach Parteiangehörigkeit.
 
Hauptziel der „Initiative Direkte Demokratie“ ist die Durchsetzung und der Ausbau der direkten Demokratie auf allen staatlichen Ebenen. Dieses Ziel wird flankiert durch weitere Maßnahmen, die die parteipolitische Durchdringung der öffentlichen Ämter zurückdrängen, den Missbrauch staatlicher Macht verhindern und auch damit dem Schutz von Recht und Freiheit des Bürgers dienen.

 

  Direkte Demokratie: Reale Entscheidungsmacht des Bürgers und Begrenzung der Macht der Parteienoligarchie oben
 

 
• Hauptprogrammpunkt der „Initiative Direkte Demokratie“ ist die Durchsetzung und der Ausbau der direkten Demokratie auf allen Ebenen des Staatsaufbaus, insbesondere auf der heute hauptsächlich entscheidenden Bundesebene. Statt der Alleinherrschaft einer Parteienoligarchie soll es reale Entscheidungsund Einflussmöglichkeiten des Volkes geben, gerade auch auf Bundesebene. Selbstverständlich muss sich die Möglichkeit von Volksinitiativen und Referenden nach dem Vorbild der direkten Demokratie in der Schweiz und Liechtenstein auch auf die sog. „finanzwirksamen“ Gesetze beziehen; das Mitwirkungsrecht des Volkes kann nicht auf unbedeutende Themen beschränkt werden. Zu diesem Zweck soll für die Bundesebene ein Bundesgesetz über Volksinitiative und Volksabstimmung geschaffen werden.
 
• Unter den heutigen technischen Gegebenheiten gibt es auch für große Staaten keinen Grund mehr gegen die direkte Demokratie. Diese spielt sich auch in der Schweiz ganz überwiegend nicht mehr in Form der Landsgemeinde ab, sondern in schriftlichen Abstimmungen. Die unmittelbare Demokratie als Korrektiv zu den Handlungen der Politiker als „Technokraten der Macht“ konstituiert zugleich eine substantielle Gewaltenteilung. Diese steht im Gegensatz zur heutigen formal-organisatorischen Gewaltenteilung.
 
• Dies geht Hand in Hand mit der Zurückdrängung des heute viel zu weit gehenden gesellschaftlichen Einflusses der bisher herrschenden etablierten Parteien sowie der Bekämpfung von hieraus resultierender Ämterpatronage, Vetternwirtschaft und Korruption. Die „Initiative Direkte Demokratie“ hat es sich zum Ziel gesetzt, der parteipolitischen Durchdringung von Verwaltung und Justiz entgegenzuwirken. Die Vergabe von nichtpolitischen Ämtern nach Maßgabe der Parteizugehörigkeit statt nach persönlicher Kompetenz soll unterbunden werden – entsprechend dem schon heute geltenden Verfassungsgebot der Vergabe nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG)! Schwere Fälle der Zuwiderhandlung sollen als Unterfall der Korruption unter Strafe gestellt werden.
 
• Unter der etablierten Parteienherrschaft des bisherigen Musters gelangen ganz überwiegend Berufspolitiker zu Macht und Einfluss, die nie z.B. als Unternehmer, Arbeitnehmer, Handwerker, Wissenschaftler oder Haushaltsvorstand eigene Erfahrungen und Kompetenzen gesammelt haben. Die Perspektive des normalen Gesetzesadressaten lernen sie i.d.R. bei weitem nicht in ausreichendem Maße kennen, bevor sie selbst zum Gesetzgeber werden. Woher sollen sie die Kompetenz nehmen, Macht zum Wohle des Volkes auszuüben? Die „Initiative Direkte Demokratie“ lehnt dieses für die Gesellschaft nicht nur wertlose, sondern schädliche Berufspolitikertum grundsätzlich ab.
 
 
Begründung
 
Das Volk hat nach dem Grundgesetz das Recht, Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen auszuüben und es ist dazu auch in der Lage. Dies ist in einer Demokratie nicht erstaunlich. Wenn sog. Volksvertreter den demokratischen Souverän, den sie eigentlich repräsentieren sollen, von jedem realen Einfluss in Sachentscheidungen ausschließen wollen, so ist das ein Widerspruch in sich. Die Motivation der regierenden Parteien mag verständlich sein, denn in einem oligarchischen Herrschaftssystem bedeutet die direkte Demokratie in erster Linie eine Machtbeschränkung der führenden Politiker.1 Legitim ist diese Motivation aber nicht; sie kann es keinesfalls rechtfertigen, das Volk seines Rechts in der Demokratie zu berauben.
 
_______________________
 
1 Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein, Der Staat im dritten Jahrtausend, Triesen 2010, S. 177.

 

  I. Die unveräußerliche höchste Entscheidungsmacht liegt in der Demokratie beim Volk oben
 

 
1. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“
 
Entgegen einer von Politikern immer wieder aufgestellten Behauptung findet sich im Grundgesetz an keiner Stelle eine Norm, die Volksabstimmungen verbieten würde. Art. 20, eine der wichtigsten Normen des Grundgesetzes, besagt in ihrem zweiten Absatz sogar ganz ausdrücklich das Gegenteil: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
Allerdings soll das Grundgesetz nach einer von Politikern immer wieder gerne vorgebrachten Auffassung Referenden auf Bundesebene ausschließen. Die für diese These gegebenen Begründungen sind aber durchweg überaus dürftig. Sie erschöpfen sich im Wesentlichen in der Behauptung, der Begriff der Abstimmung in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG meine nur das Territorialplebiszit nach Art. 29 GG (mit Art. 118, 118a GG), im Hinweis auf die Grundgesetzvorschriften zur parlamentarischen Demokratie sowie in der Berufung auf die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes.2
 
a) Die bereits angesprochene Auffassung steht auf dem Standpunkt, mit den in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG erwähnten „Abstimmungen“ könnten für die geltende Fassung des Grundgesetzes nur die konkret in Art. 29 GG vorgesehenen äußerst seltenen Abstimmungen über eine Länderneugliederung (die sog. „Territorialplebiszite“ - und eventuell die nach Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG in das Belieben der Landesgesetzgeber gestellte Möglichkeit, politische Entscheidungen in Gemeinden durch eine Gemeindeversammlung treffen zu lassen3) gemeint sein. „Weitere“ Fälle von Volksabstimmungen könnten nur durch Verfassungsänderung eingeführt werden.4 In der Tat kann man nur Parteienlexikon durch eine solche eher bizarre Sichtweise die Erwähnung der Ausübung von Staatsgewalt durch das Volk in Abstimmungen in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG mit der These eines Verfassungsvorbehalts für die „Einführung“ von Volksabstimmungen5 in Einklang bringen. Art. 29 GG kann die allgemeine Regelung des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG aber schon aus Gründen der Verfassungssystematik nicht einschränken, da sie keine generelle Reglung für Volksabstimmungen enthält, sondern nur einen sehr eingegrenzten Entscheidungsgegenstand betrifft.6
 
In Wahrheit handelt es sich beim Territorialplebiszit nach Art. 29 GG nicht einmal um eine Abstimmung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG!7 Während nach Art. 29 GG nur die Landesvölker einzelner Länder zur Entscheidung berufen sind, meint „Volk“ im Sinne des Art. 20 GG die Gesamtheit aller Staatsangehörigen und Statusdeutschen im Sinne des Art. 116 GG8, meint nach ganz überwiegender Auffassung das deutsche Volk als Staatsvolk des Staates des Grundgesetzes.9 Es widerspräche den Regeln der juristischen Auslegung, anzunehmen, dass der Begriff des „Volkes“ in den beiden unmittelbar aufeinander bezogenen10 Sätzen des Art. 20 Abs. 2 GG unterschiedliche Bedeutungen haben könne. Daher muss es das Gesamtvolk des Bundes sein, das nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG die Staatsgewalt auch in Abstimmungen ausübt.
 
b) Es fragt sich, ob die Bestimmungen des Grundgesetzes über die parlamentarische Demokratie ein Referendum ausschließen. Man muss anerkennen, dass das Grundgesetz – im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung – das Volk nicht ausdrücklich in das Verfahren der Bundesgesetzgebung nach Art. 76 ff. GG einbezogen hat. Es wäre aber unzulässig, aus der Erwähnung der besonderen Staatsorgane in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und aus deren Übergewicht in den Regelungen des organisationsrechtlichen Teils des Grundgesetzes ein Verfassungsgebot einer nur repräsentativen Demokratie abzuleiten.11 Die Grundsatzregelung der Volkssouveränität in Art. 20 Abs. 2 GG gilt nicht nur als Grundsatz, sondern zugleich als „Vollregelung“ und hat somit eine Geltungskraft, die den meisten anderen Grundsätzen des Art. 20 fehlt.12 In dieser Vollregelung stellt das Grundgesetz die unmittelbare Komponente der Demokratie gleichberechtigt neben die mittelbare Demokratie13; lediglich in den Ausführungsbestimmungen gewinnt dann die mittelbare Demokratie – was das positivierte Verfassungsrecht angeht – ein Übergewicht.14 Aus den konkreten Regelungen zur Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk mittels Wahlen und durch die besonderen Organe der Gesetzgebung kann somit keine Ausschließlichkeit folgen.15
 
Ihnen kann auch kein Verbot von Volksinitiativen und -abstimmungen entnommen werden.16 Es trifft nicht zu, dass eine rechtsverbindliche unmittelbare Willensbildung des Volkes nur dann in Frage käme, wenn ein Verfahren der Gesetzgebung durch Plebiszit verfassungsrechtlich geregelt wäre, weil auch für das repräsentative Gesetzgebungsverfahren spezielle Regelungen geschaffen wurden.17 Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zeigt, dass zwischen den repräsentativen und den plebiszitären Formen des demokratischen Prozesses kein Ausschließlichkeitsverhältnis besteht.18 Das sehr viel stärkere Gewicht, das vom Grundgesetz auf die konkrete Ausformung der repräsentativen Formen gelegt wird, kann die hieraus weithin gezogene Schlussfolgerung nicht tragen, das Grundgesetz habe sich für die repräsentative und gegen die plebiszitäre Demokratie entschieden: Die repräsentativen Formen bedurften ja in jedem Fall einer verfassungskräftigen Festlegung. Den einzelnen Instanzen der Repräsentation und dem Verfahren repräsentativer Ausübung von Staatsgewalt musste erst einmal demokratische Legitimation gegeben werden durch ihre verfassungsrechtliche Verankerung und die verfassungskräftige Festlegung des Weges ihrer Legitimierung durch das Volk in Wahlen. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG spricht von besonderen Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung, durch die das Volk – neben den direkten Ausübungsformen der Wahlen und Abstimmungen – Staatsgewalt ausübt. Diese besonderen Organe haben im Gegensatz zum Volk keine uneingeschränkte Kompetenz, sondern es müssen ihnen von der Verfassung enumerierte, besondere Zuständigkeiten eingeräumt werden.19 Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit den besonderen Kompetenzund Verfahrensvorschriften des Grundgesetzes kann vor diesem Hintergrund nicht als eine Kompetenzzuweisung mit Sperrwirkung gegenüber dem Volk verstanden werden.20
 
Die Verfassung muss nämlich im Gegensatz zu den Zuständigkeiten der Volksvertreter die Zuständigkeiten des Volkes nicht enumerieren und kann dies letztlich auch nicht in verbindlicher Weise tun.21 Die plebiszitär-demokratische Ausübung von Staatsgewalt, der definitionsgemäß aktuelle demokratische Legitimation innewohnt, kann sich von einer verfassungsrechtlichen Festschreibung unabhängig selbst legitime Wege suchen. Da es hier das mit der verfassunggebenden Gewalt (pouvoir constituant) identische Staatsvolk ist, das die Ausübung der Staatsgewalt an sich zieht, kann eine Verfassung der unmittelbaren Demokratie letztlich ohnehin keine verbindlichen Formen vorschreiben.
 
Eine Unzulässigkeit von Volksabstimmungen ergibt sich auch nicht daraus, dass aus diesen gesetzestechnische Umsetzungspflichten des Bundesgesetzgebers e r w a c h s e n   k ö n n e n . D u r c h   d i e   g r u n d g e s e t z l i c h e   R e g e l u n g   d e s Gesetzgebungsverfahrens wird nicht eine Grundsatzentscheidung durch das Volk in einer Abstimmung ausgeschlossen, die in der Demokratie für die an der Gesetzgebung beteiligten Organe verbindlich ist und im durch das Grundgesetz vorgesehenen Verfahren der Gesetzgebung beachtet werden muss.22 Die Regelung des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, nach der Abgeordnete „nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind23, steht einer Verpflichtung zur Ausrichtung am Ergebnis eines Plebiszites nicht entgegen. Die Freiheit des Abgeordneten von Aufträgen und Weisungen dient der Verwirklichung seiner Stellung als „Vertreter des Ganzen Volkes“. Das freie Mandat hat die Aufgabe, bei der Staatswillensbildung im Parlament24 die parlamentarische Versammlung kompromiss- und entscheidungsfähiger zu machen.25 Die Regelung stellt somit eine Vorkehrung zum Schutze der repräsentativ-demokratischen Entscheidungsfindung dar, die sich üblicherweise im Parlament abspielt. Ihre Zielsetzung hat dann keine Relevanz, wenn das Volk selbst die materielle Entscheidung an sich gezogen hat.
 
Offenkundig sieht das Grundgesetz zwar keine verfahrensrechtlichen Vorkehrungen für die Durchsetzung des Ergebnisses eines Referendums und seine Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren vor.26 Das bedeutet aber nicht, dass es keine für den einfachen Gesetzgeber – ebenso wie für die Exekutive – verbindliche Volksabstimmung geben könnte. Man denke daran, dass auch für die Umsetzung der „Aufträge“ des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber kein Vollstreckungsverfahren vorgesehen ist, deswegen aber von niemand bezweifelt wird, dass der Gesetzgeber den Vorgaben des Gerichts Rechnung tragen muss. Während die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sich als zu beachtende verbindliche Interpretation des Verfassungsrechts darstellt, hätte die Mehrheitsentscheidung des Volkes verfassungsrechtliche Verbindlichkeit gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und zugleich vorverfassungsrechtliche Verbindlichkeit im Sinne des Selbstverständnisses der Demokratie.27
 
c) Zwar hat der Parlamentarische Rat drei Anträge auf eine Aufnahme spezieller Vorschriften zu einem Verfahren unmittelbarer Demokratie in den Text seines Grundgesetz-Entwurfes abgelehnt.28 Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates waren sich aber durchaus bewusst, dass ein sich Bahn brechender Volkeswille für den Staat des Grundgesetzes gleichwohl Verbindlichkeit hat.29 Auch wenn der Parlamentarische Rat somit keine „Einladung“ zu Referenden ausgesprochen hat, kann keineswegs unterstellt werden, er habe diese verbieten, habe das Volk von einer unmittelbaren Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt ausschließen wollen.30 Dies wäre weder mit einer Verfassunggebung nach der demokratischen Staatslehre31, noch mit dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG vereinbar. Die klare Wortlautaussage des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG „in Abstimmungen“ kann jedenfalls aus heutiger Sicht nicht durch den Hinweis auf die zeitbedingten Bedenken gegenüber der unmittelbaren Demokratie relativiert werden.32 Diese Bedenken beruhten auf der Angst, das Volk habe nach den Jahren 1933-1945 noch nicht die nötige politische Reife für die direkte Demokratie.33 Diese Bedenken sind – auch im Bewusstsein des Staatsvolkes – längst überwunden.34 Das Grundgesetz kann insofern nicht auf der überholten Auffassung des Parlamentarischen Rates beruhen, sondern muss dem Willen des heutigen Verfassunggebers, also des deutschen Volkes entsprechen.35 Aus diesem Grunde hat auch das Bundesverfassungsgericht bei Auslegung des Grundgesetzes der Entstehungsgeschichte nur die geringe Bedeutung beigemessen, anderweitig gefundene Auslegungsergebnisse bestätigen zu können.36
 
 
2. Verfassungsvorbehalt?
 
Ein Referendum wäre derzeit unzulässig, wenn trotz der Aussage des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG die „tatsächliche Möglichkeit“ der Durchführung eines solchen R e f e r e n d u m s   e i n e m   V e r f a s s u n g s v o r b e h a l t   u n t e r l ä g e   u n d   d u r c h   Verfassungsänderung erst noch eingeführt werden müsste.37 Das wäre dann der Fall, wenn das Grundgesetz mit seinem Art. 29 eine abschließende Regelung möglicher Plebiszite enthielte. Hiergegen sprechen zunächst die oben38 bereits angeführten Argumente sowie die Tatsache, dass selbst die Repräsentativorgane und deren abgeleitete Ausübung von Staatsgewalt nur unvollständig im Grundgesetz geregelt sind.39 Grundsätzlich spricht gegen eine solche gedankliche Konstruktion, dass eine Verfassungsvorschrift, die zu ihrer Ausführung eine Verfassungsänderung verlangte, im Grundgesetz ohne Beispiel wäre. Um durch Verfassungsänderungen Elemente plebiszitärer Demokratie „einzuführen“, benötigte man nicht die „Erlaubnis“ durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.40 In dessen Wortlaut heißt es außerdem im Indikativ Präsens, Staatsgewalt „... wird vom Volke in ... Abstimmungen ... ausgeübt“ und nicht etwa „darf vom Volke in Wahlen und bei ausdrücklicher grundgesetzlicher Anordnung auch in Abstimmungen ausgeübt werden“.
 
I m   K o n t e x t   d e r   d e m o k r a t i s c h e n   S t a a t s l e h r e   s p r i c h t   g e g e n   e i n e n   „Verfassungsvorbehalt“ gegenüber Formen der unmittelbaren Demokratie die Erwägung, dass der Vorbehalt nur aus einer zugleich abschließenden und Vorrang genießenden Regelung folgen kann. Eine demokratische Verfassung kann aber gegenüber dem Volk als Quelle aller Staatsgewalt und als Ursprung ihrer eigenen Legitimität weder abschließend noch vorrangig sein. Für die demokratische Staatslehre ist es eine Selbstverständlichkeit, dass das Volk stets die verfassunggebende Gewalt (pouvoir constituant) innehat.41 Das jeweils gerade gegebene Staatsvolk der Gegenwart hat immer die Macht, sich eine neue Verfassung zu geben oder eine bestehende Verfassung zu korrigieren42; es kann als Verfassunggeber die Verfassung auch in Teilen fortgelten lassen und in anderen revidieren.43 Dies wird durch das Grundgesetz auch eindeutig anerkannt. Das Volk als verfasste Gewalt, als Quasi-„Staatsorgan“44 (pouvoir constitué), von dem nach Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes die Legitimation der Staatsgewalt ausgeht, unterscheidet sich nicht vom in der Präambel und in Art. 146 GG genannten deutschen Volk als verfassunggebender Gewalt (pouvoir constituant).45 Die verfassunggebende Gewalt ist ein integrierender Bestandteil der Staatsgewalt; sie ist die ranghöchste Äußerungsform der in Art. 20 Abs. 2 GG zum Ausdruck gebrachten Volkssouveränität.46 Das Bundesverfassungsgericht hat auf das Bezugsfeld zwischen Art. 20 Abs. 2 GG und der Präambel sowie Art. 146 GG ausdrücklich hingewiesen.47 Die Vorrangigkeit des pouvoir constituant gegenüber jeder Regelung des Grundgesetzes hat das Gericht in seiner Maastricht-Entscheidung48 explizit festgestellt.49 Selbst Art. 79 Abs. 3 GG kann hiernach die verfassunggebende Gewalt nicht binden.50 Damit ist klargestellt, dass das Grundgesetz dem Volk nichts verbieten kann, was dieses als verfassunggebende Gewalt „will“ – selbst dann nicht, wenn das Gewollte von den ranghöchsten Prinzipien des Grundgesetzes abweichen sollte. Ein in einer Volkesinitiative und Volksabstimmung51 zum Ausdruck kommender Dissens des Volkes als verfassunggebender Gewalt gegenüber einzelnen Verfassungsinhalten bedeutet nicht partielle Revolution, sondern ist das nächstliegende und selbstverständlichste Verfahren einer Evolution der Verfassung in Form von Änderungen und Ergänzungen.52 Das Einverstandensein des Volkes mit seiner Verfassung ist zu jeder Zeit stillschweigende Vorbedingung der Geltungskraft einer demokratischen Verfassung.53
 
Eine Verfassung, die dem Volke oktroyiert wäre und/oder gegenüber der späteren Generation54 versuchte, die verfassunggebende und -ändernde Gewalt des Volkes zu unterdrücken, müsste im demokratischen Staatensystem den „Stempel der Illegitimität“ (Roman Herzog) tragen.55 Auch kann sich keine Volkesgeneration zu Lasten der Entscheidungsfreiheit einer kommenden Generation des demokratischen Souveräns der verfassunggebenden Gewalt begeben; diese ist stets mit dem jeweiligen Staatsvolk identisch. Sie verbraucht sich auch nicht in der Verfassunggebung, besteht vielmehr neben der einmal gegebenen, geschriebenen Verfassung uneingeschränkt fort und kann sich in der unmittelbaren Umsetzung des Willens des demokratischen Souveräns in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung aktualisieren. Eine demokratische Verfassung kann somit die Macht des Souveräns, die Quelle ihrer eigenen Legitimation und Geltungskraft ist, nicht einschränken und nicht erschweren.
 
Eine ältere geschriebene Verfassung wird – bestenfalls56 – dem Willen einer zurückliegenden Volkesgeneration entsprechen. Sie hätte einem von ihren Inhalten abweichenden aktuelleren Volkeswillen nur „Bewährung“, letztlich Tradition entgegenzusetzen. Ein Staat und eine Verfassung können ihre Legitimation nach dem demokratischen Prinzip aber nicht aus der Tradition beziehen.57 Das Volk kann, wenn es als verfassunggebende Gewalt in Erscheinung tritt, nicht an die Anschauungen zurückliegender Generationen gebunden sein, sondern, so auch ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht, nur „an die jedem geschriebenen Recht vorausliegenden überpositiven Rechtsgrundsätze“.58 Schon nach den grundlegendsten Regeln der demokratischen Staatslehre kann somit eine vom Volke aktuell beanspruchte Mitwirkung in der politischen Willensbildung niemals durch eine Verfassung verboten sein, die bestenfalls dem „geronnenen“ Volkeswillen einer zurückliegenden Generation entspricht. Als Beispiel mag die Einführung der Direktwahl des Präsidenten der Republik in Frankreich durch das Referendum von 1962 dienen. Obwohl das Vorgehen gegen den geltenden Bestand der geschriebenen Verfassung verstieß, ist sich die Rechtslehre darin einig, dass das Referendum als Ausdruck der verfassunggebenden Gewalt zu werten ist und Rechtsverbindlichkeit beanspruchen kann.59 Eine solche „kritische“ Situation wäre in Deutschland bei Durchführung eines Referendums nicht gegeben, weil Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ausdrücklich anerkennt, dass Staatsgewalt vom Volke auch in Abstimmungen ausgeübt wird. Mit dieser Grundgesetznorm, in Zusammenschau mit der Präambel, Art. 146 GG und deren Verankerung in der demokratischen Staatslehre, ist die These, es bestehe ein Verfassungsvorbehalt für die „Einführung“ von Volksabstimmungen, nicht vereinbar: Da die Geltung der Verfassung in allen ihren Teilen unter einem „Popularvorbehalt“60, unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Staatsvolkes steht, ist es eine völlige Verkehrung, wenn behauptet wird, die unmittelbar-demokratische Ausübung von Staatsgewalt durch das Volk stehe unter einem Verfassungsvorbehalt.
 
 
3. Vorbehalt des Gesetzes?
 
Es fragt sich weiter, ob es rechtlich ausgeschlossen wäre, ein Referendum ohne einfachgesetzliche Grundlage durchzuführen – dies abgesehen davon, dass ein entsprechendes Gesetz durchaus in überschaubarer Zeit zustande gebracht werden könnte und sollte. Eine beachtliche Gruppe von Autoren vertritt die Auffassung, dass ein einfaches Gesetz für die „Einführung“ von Volksabstimmungen auf Bundesebene ausreichend, aber auch notwendig sei.61 Hierbei wird sorgfältig begründet, weshalb ein Verfassungsvorbehalt nicht anzuerkennen sei. Nicht begründet wird allerdings, weshalb dann der Vorbehalt des Gesetzes eingreifen soll. Es bedarf aber der Klärung, weshalb der Vorbehalt des Gesetzes hier eingreifen soll, denn in Art. 20 Abs. 2 GG heißt es nicht etwa „Das Volk kann aufgrund eines Bundesgesetzes (ggf. „..., das der Zustimmung des Bundesrates bedarf...“) Staatsgewalt auch durch Abstimmungen ausüben...“. Es heißt im Gegensatz hierzu „Sie (alle Staatsgewalt) wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt.“
 
Es ist daher zu fragen, woraus sich trotz der Verfassungsunmittelbarkeit der Ausübung von Staatsgewalt in Abstimmungen ein Gesetzesvorbehalt ergeben soll. Der Vorbehalt des Gesetzes greift im allgemeinen dann ein, wenn „Eingriffe in Freiheit und Eigentum“62 in Frage stehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichten Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip den Gesetzgeber darüber hinaus, in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen („Wesentlichkeitsrechtsprechung“).63 Der rechtsstaatliche Geltungsgrund des Vorbehalts des Gesetzes resultiert aus Grundrechtseingriffen bzw. der wesentlichen Bedeutung bestimmter staatlicher Maßnahmen für ein Grundrecht unabhängig von deren konkreter Eingriffsqualität.64 Freilich käme der Vorbehalt des Gesetzes insofern zum Tragen, als die Umsetzung des Ergebnisses einer Volksabstimmung dann durch Gesetz erfolgen muss, wenn sich Grundrechtsbeeinträchtigungen daraus ergeben. Für das Referendum selbst griffe dieser Grund für den Vorbehalt des Gesetzes nur dann ein, wenn eine Abstimmungspflicht eingeführt werden sollte.
 
Für diese Frage der „Einführung“ der direkten Demokratie könnte man aber noch den demokratischen Geltungsgrund des Gesetzesvorbehalts in Betracht ziehen. Nach diesem dürfen Fragen von maßgeblicher Bedeutung für das Gemeinwesen nicht am durch Wahlen unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament vorbei entschieden werden.65 Dieser Zweck kann aber gegenüber dem unmittelbaren Tätigwerden des Volkes in der Ausübung der Staatsgewalt, der gegenüber dem Parlament die aktuellere unmittelbar-demokratische Legitimation innewohnt, nicht eingreifen. Davon abgesehen ist nach hier vertretener Auffassung die wesentliche Grundsatzentscheidung für die Volksabstimmung bereits durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gefallen66; einer Bestätigung durch den einfachen Gesetzgeber bedarf diese Verfassungsnorm nicht.
 
 
4. Ergebnis
 
Behauptungen, dass das Grundgesetz die Volksabstimmung verbiete, ist nach alledem eindeutig entgegenzutreten. Das Grundgesetz hat die Möglichkeit der Abstimmung durch das deutsche Volk – der Lehre vom demokratischen Staat entsprechend – in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ausdrücklich anerkannt. Die Behauptung, das Grundgesetz gestatte außerhalb der Länderneugliederung nur mittelbare, repräsentativ-demokratische Formen der Ausübung von Staatsgewalt durch das Volk findet im Grundgesetz keine Grundlage und missachtet die Identität des Staatsvolkes des Grundgesetzes mit der aktuellen verfassunggebenden Gewalt. Ebenso bedarf es weder einer Verfassungsänderung noch eines besonderen einfachen Gesetzes, um dem Volk die Ausübung von Staatsgewalt in einem Referendum zu „erlauben“.
 
_______________________
 
2 Albert Bleckmann, Die Zulässigkeit des Volksentscheides nach dem Grundgesetz, JZ 1978, 217 (217).
3 Roman Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 II (Demokratie) Rdnr. 43 f.
4 Michael Sachs, in Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2003, Art. 20 Rdnr. 32; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 II (Demokratie) Rdnr. 43 f.
 
5 Hierzu unten 2.
6 Vgl. Ekkehart Stein/Götz Frank, Staatsrecht, 18. Aufl., Tübingen 2002, § 14 IV, S. 118.
7 Horst Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, 1998, Art. 20 (Demokratie) Rdnr. 95; Christoph Degenhart, Direkte Demokratie in den Ländern – Impulse für das Grundgesetz?, Der Staat 31 (1992), 77 (78); Ingwer Ebsen, Abstimmungen des Bundesvolkes als Verfassungsproblem, AöR 110 (1985), 2 (8).
 
8 BVerfGE 83, 37 (50 f.); Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 II (Demokratie) Rdnr. 10.
9 Vgl. nur Josef Isensee, Abschied der Demokratie vom Demos, in: Festschrift zum 65. Geburtstag von P. Mikat, Berlin 1989, S. 717 (718 ff.); Josef Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, 3. Aufl., Heidelberg 2004, § 15 Rdnrn. 113 ff.); Peter Michael Huber, Das „Volk“ des Grundgesetzes, DÖV 1989, 531 ff.; Helmut Quaritsch, Staatsangehörigkeit und Wahlrecht, DÖV 1983, 1 (3); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, Art. 20 (Demokratie) Rdnr. 83 m.w.N.
 
10 Vgl. Friedrich E. Schnapp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 4./5. Aufl. 2001, Art. 20 Rdnr. 18.
11 So aber Karl-Peter Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 4 Aufl. 2000, Art. 20 Abs. 2 Rdnr. 155.
12 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 II (Demokratie) Rdnr. 33.
13 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 II (Demokratie) Rdnr. 38.
14 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 II (Demokratie) Rdnr. 38.
15 Stein/Frank, Staatsrecht, § 14 IV, S. 118.
16 Bleckmann, JZ 1978, 217 (218).
17 So aber wohl Stein/Frank, Staatsrecht, § 14 IV, S. 118.
18 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, 1998, Art. 20 (Demokratie) Rdnr. 93; ders., Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, 249 (251); Karsten Bugiel, Volkswille und repräsentative Entscheidung, Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit von Volksabstimmungen nach dem Grundgesetz, Baden-Baden 1991, S. 109 ff.
 
19 Vgl. Christian Pestalozza, Der Popularvorbehalt, Direkte Demokratie in Deutschland, Berlin/New York 1981, S. 12.
20 Siehe Pestalozza, Der Popularvorbehalt, S. 12.
21 Vgl. Pestalozza, Der Popularvorbehalt, S. 12.
22 Das wird ausführlich belegt durch Claus-Henning Obst, Chancen direkter Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1986, S. 249 ff. Hier soll nicht in die Diskussion über die Zulässigkeit des sog. „konsultativen Plebiszits“ eingestiegen werden, die von immer mehr Autoren bejaht wird. Sie erscheint als Ausdruck einer unangemessenen paternalistischen Attitüde gegenüber dem demokratischen Souverän.
 
23 Zur herkömmlichen Sicht der Problematik Bleckmann, JZ 1978, 217 (219).
24 Siegfried Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Art. 38 Rdnr. 46.
25 JöR N.F. Bd. 1 (1951), S. 354 f.; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl, München 1984, S. 1070; Siegfried Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, Berlin 1979, S. 137 f.
 
26 Auch nach überkommener Auffassung haben selbst als unverbindliche konzipierte Volksbefragungen haben eine moralisch-politische Verbindlichkeit, die sich von einer verfassungsrechtlichen Verbindlichkeit kaum unterscheiden würde, vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 II (Demokratie) Rdnr. 45.
 
27 Näher hierzu unten 2.
28 JöR N.F. Bd. 1 (1951), 180 (453 ff.).
29 Vgl. etwa Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat, JöR N.F. Bd. 1 (1951), S. 198.
30 Vgl. auch Bleckmann, JZ 1978, 217 (217).
31 Hierzu unten 2.
32 Stein/Frank, Staatsrecht, § 6 II Einl., § 14 IV.
33 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 II (Demokratie) Rdnr. 39.
34 Bleckmann, JZ 1978, 217 (217).
35 Bleckmann, JZ 1978, 217 (217).
36 BVerfGE 1, 299 (312); 62, 1 (45) m.w.N.
37 So z.B. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, München 1980, S. 11ff.; a. A. Ekkehard Stein, in: Alternativkommentar, 2. Aufl., Art. 20 Abs. 1-3 II Rdnrn. 39 f.
 
38 1. a)
39 Bleckmann, JZ 1978, 217 (222).
40 Auf die bizarre Konstruktion, nach der die rein repräsentative Demokratie eigentlich durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützt wäre und nur dank Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auch plebiszitär-demokratische Elemente eingeführt werden dürften, will ich hier nicht näher eingehen.
 
41 Das Grundgesetz erkennt dies in der Präambel und in Art. 146 an, vgl. Volker Lemke, Aktualisierung der verfassunggebenden Gewalt nach dem Grundgesetz, Kiel 1974, S. 64 f.; Sachs, in Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Art. 20 Rdnr. 27.
 
42 Paul Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 3. Aufl. 2004, § 21 Rdnrn. 22 ff.; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 24 Rdnrn. 5 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1. Abschnitt. Der pouvoir constituant (S. 3ff.); Roman Herzog, Allgemeine Staatslehre, Frankfurt 1971, S. 316. Verfassunggebende und verfassungsändernde Gewalt des Volkes stellen eine Einheit dar, s. hierzu insbesondere Udo Steiner, Verfassunggebung und verfassungsgebende Gewalt des Volkes, Berlin 1966, S. 220 ff. Dem steht nicht entgegen, daß im Grundgesetz auch auch Verfassungsänderungen durch die verfaßte Gewalt (pouvoir constitué) ausdrücklich vorgesehenen sind.
 
43 Dies kann sich grundsätzlich in den klassischen Verfahren nach Rousseau (plebiszitäre Verfassunggebung) oder Sieyès (Verfassunggebung durch gewählte Konstituante) vollziehen. Zu den Verfahren der Verfassunggebung Steiner, Verfassunggebung und verfassungsgebende Gewalt des Volkes, S. 93 ff.
 
44 So BVerfG 83, 60 (71).
45 Karl-Peter Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 4 Aufl. 2000, Art. 20 Abs. 2 Rdnr. 143.
46 Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 312; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, Art. 20 (Demokratie) Rdnr. 76.
47 BVerfGE 83, 37 (51); vgl. auch Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, Art. 20 (Demokratie) Rdnr. 83; Christoph Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, Rdnr. 39; auch bestätigt durch die Entstehungsgeschichte, s. JöR N.F. Bd. 1 (1951), 195 ff.
 
48 BVerfGE 89, 155.
49 BVerfGE 89, 155 (180).
50 BVerfGE 89, 155 (180); vgl. auch Roman Herzog/Walter Schick, Verfassungsrecht, München 1978, S. 236 f.
51 Oder durch eine ad hoc gewählte verfassungsändernde Versammlung.
52 Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 316.
53 Ganz in diesem Sinne etwa Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat, JöR N.F. Bd. 1 (1951), S. 198.
54 Vgl. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 319.
55 Vgl. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 312.
56 Zur Problematik der Legitimität des Grundgesetzes siehe Reinhard Mußgnug, Zustandekommen des Grundgesetzes und Entstehen der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1, 3. Aufl., Heidelberg 2003, § 8 Rdnrn. 96 ff.; Josef Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, 3. Aufl., Heidelberg 2004, § 15 Rdnr. 31; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 315.
 
57 Dies ist übrigens auch in den Beratungen des Parlamentarischen Rates zum heutigen Art. 20 des Grundgesetzes erörtert worden, vgl. etwa Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat, JöR N.F. Bd. 1 (1951), S. 198.
 
58 BVerfGE 1, 14 (61).
59 Hierzu Helmut Steinberger, Problematik und Bedeutung der französischen Verfassungsänderung vom Herbst 1962 über die Wahl des Präsidenten der Republik durch das Volk, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 24 (1963), 575 ff.
 
60 Vgl. Pestalozza, Der Popularvorbehalt, 1981.
61 Siehe z.B. Hans Meyer, Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, VVDStRL 33 (1975), 69 (115); Stein/Frank, Staatsrecht, § 14 IV, S. 117 f.; Bleckmann, JZ 1978, 217 ff.; Pestalozza, Der Popularvorbehalt, S. 11 ff.
 
62 Siehe BVerfGE 8, 155 (167); 40, 237 (249).
63 BVerfGE 40, 237 (249); 49, 89 (126 f.); 58, 257 (278); 76, 1 (75 f.); 83, 130 (152).
64 BVerfGE 47, 46.
65 Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 66.
66 Oben 1.

 

  II. Das deutsche Volk ist zur Wahrnehmung seiner Interessen ebenso fähig wie das Volk in der Schweiz und in Liechtenstein oben
 

 
In der Bundesrepublik Deutschland wird als „Argument“ gegen die unmittelbare Demokratie immer wieder eine Theodor Heuß zugeschriebene Aussage bemüht, nach der die Volksabstimmung die Stunde der Demagogen sei. Es ist jedoch nicht mehr zeitgemäß, wenn Politiker glauben, mit der Weisheit eines der ihren dem Volk den Mund verbieten zu können. Allzu oft haben die Staats- und Gemeindevölker der Schweiz und Liechtensteins bereits über Sachfragen abgestimmt. Wenn man es an der Wohlfahrt und dem Erfolg der beiden Länder misst, haben die Bürger dabei durchaus richtig und im Interesse ihrer Gemeinschaften abgestimmt. Allzu oft haben etwa die gewählten „Repräsentanten“ des Staatsvolkes der Bundesrepublik Deutschland nicht in dessen Interesse gehandelt.
 
Außerdem müssten Wahlen gegenüber Sachentscheidungen geradezu Sternstunden der Demagogen sein. Die in Wahlwerbungen der Parteien zum Ausdruck kommende Attitüde führender Parteipolitiker gegenüber dem demokratischen Souverän ist für die repräsentative Demokratie durchaus typisch. Die repräsentative Demokratie hat der Fürst von Liechtenstein, der sich in seinem Land sehr für den Ausbau der direkten Demokratie eingesetzt hat – er hat etwa für die Möglichkeit einer Volksabstimmung über den UNO- und EWR-Beitritt gesorgt – mit guter Begründung als „Demokratie für Analphabeten“ bezeichnet (mit dem Hintergrund der in früheren Jahrhunderten relevanten Unmöglichkeit der Landsgemeinde in großen Staaten und zugleich Unmöglichkeit schriftlicher Abstimmungen wegen Analphabetismus)67: „Solange eine großer Teil der Bevölkerung aus Analphabeten bestand, war die Begrenzung des demokratischen Prinzips auf die indirekte Demokratie vielleicht verständlich. Heute ist dies schon schwerer zu begründen. Erstens sind die Bildungsunterschiede zwischen Regierenden und Regierten gering.“68 Außerdem habe man oft „nicht den Eindruck, dass immer die Regierenden zu den am besten gebildeten Schichten der Bevölkerung gehören.“69
 
Gleichwohl sind die Parolen, mit denen regierende Parteien oft ihre vom Volke ungestörte Alleinherrschaft absichern wollen, mancherorts auf fruchtbaren Boden gefallen und zuweilen verteidigen einfache Wähler und Parteimitglieder die sog. „repräsentative“ Demokratie mit Vehemenz. Aber dann „müssten diese Menschen konsequenterweise ebenfalls die indirekte Demokratie ablehnen. Es ist nun einmal einfacher, eine Sachentscheidung zu fällen als eine Personalentscheidung über einen Politiker, den man kaum kennt, und ein Parteiprogramm, von dem niemand weiß, ob es umgesetzt wird.“70 Somit spitzt sich die Frage nach der denkgesetzlich begründbaren Regierungsform auf eine Alternative zu: „Wer dem Bürger die Intelligenz abspricht, über eine Steuererhöhung oder Steuersenkung, die ihn direkt betrifft, zu entscheiden, wird den Bürger erst recht nicht mit der indirekten Demokratie belasten dürfen. Als Alternative verbleibt dann nur mehr der aufgeklärte Absolutismus, in dem Monarchen und Oligarchen über das Wohl des Volkes entscheiden.“71 In der Tat könnte ein Volk, das intellektuell zu Sachentscheidungen unfähig wäre, denklogisch auch in Personalentscheidungen keine Legitimation verleihen. Nur durch eine stark ausgebaute direkte Demokratie wird zudem durch die damit verbundene substantielle Gewaltenteilung „verhindert, dass der Staat von … Oligarchen missbraucht wird, um andere Menschen zu unterdrücken und auszuplündern. War die indirekte Demokratie die Demokratie für Analphabeten, so ist die direkte Demokratie … die Demokratie für das gebildete Volk.“72 Für die Schweiz werden alle Volksabstimmungen vom Bundesamt für Statistik (Neuenburg) im sog. „Politischen Atlas der Schweiz“ elektronisch im Internet veröffentlicht.73 Hier kann sich jedermann selbst ein Bild davon machen, welche Themen vom Volk entschieden worden sind und ob man die Entscheidung für vernünftig hält. Es gibt wohl keinen besseren empirischen Beleg dafür, dass die „Aktivbürger“ eines wahrhaft demokratischen Landes sachgerecht und verantwortungsvoll von ihrer unmittelbaren politischen Macht Gebrauch machen.
 
In ähnlicher Weise lassen sich Praktizierbarkeit und Erfolg der direkten Demokratie in der Staatsführung prognostizieren, wenn man sich die kontroversen Politikthemen anschaut, in denen in der Vergangenheit von den Politikern gegen die große Mehrheit des Volkes entschieden worden ist. Hätten die Politiker etwa beim Euro auf die überwältigende Mehrheit der Bürger Deutschlands und Österreichs gehört, anstatt diesen Mehrheitswillen in unvorstellbarer Eigenmächtigkeit zu übergehen, wäre es nie zu dem Euro-Desaster mit seinen nicht einmal ansatzweise absehbaren Konsequenzen gekommen.
 
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67 Der Staat im dritten Jahrtausend, S. 33.
68 Der Staat im dritten Jahrtausend, S. 74.
69 Der Staat im dritten Jahrtausend, S. 74.
70 Der Staat im dritten Jahrtausend, S. 177, 74.
71 Der Staat im dritten Jahrtausend, S. 177.
72 Der Staat im dritten Jahrtausend, S. 99.
73 www.atlas.bfs.admin.ch

 
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